Übung » Medizinisches und naturwissenschaftliches Grundverständnis

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Phineas Gage war ein Vorarbeiter in einer amerikanischen Eisenbahngesellschaft im 19. Jahrhundert. Traurige Berühmtheit erreichte er durch einen Unfall, der sich im Jahre 1848 ereignete. Bei einer von ihm durchgeführten Sprengung durchbohrte eine ca. 1,1 Meter lange und 3 cm dicke Eisenstange seinen Schädel. Sie trat unterhalb seines linken Wangenknochens ein und oben am Schädel wieder aus, wobei sein linker präfrontaler und orbitofrontaler Cortex zerstört wurden.

Durch die Stärke der Explosion wurde die Eisenstange 30 Meter weit geschleudert und Gage kam auf dem Rücken zu liegen. Sonderbarerweise blieb Gage während des Unfalls bei Bewusstsein und konnte sogar den Unfallhergang beschreiben. Er überlebte den Unfall und schien, bis auf den Verlust seines linken Auges nach kurzer Zeit wieder gesund.

Wenn auch für Gage traumatisch, so war der Unfall für die Neurowissenschaften ein Glücksfall. Obwohl seine intellektuellen Fähigkeiten, einschließlich Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Sprachfähigkeit, Intelligenz, Gedächtnis und Motorik völlig intakt waren, kam es doch zu einer sehr interessanten Veränderung. Aus dem besonnen, ausgeglichenen und überlegt vorgehenden Gage wurde ein impulsiver, launischer und unberechenbarer Mensch.

Dieses Krankheitsbild wird heute als Frontalhirnsyndrom beschrieben.

Welche Annahmen der Neurowissenschaften können laut dem Text durch den Fall Phnieas Gage gestützt werden?

  1. Bestimmte Gehirnareale übernehmen unterschiedliche Aufgaben.
  2. Der linke prä- bzw. orbitofrontale Cortex spielt bei der Impulskontrolle eine Rolle.
  3. Der Sitz der "Seele" ist der orbitofrontale Cortex.
  4. Bei einer Störung, die mit Impulsivität, launischen und kindlichen Verhalten einhergeht, handelt es sich immer um eine Störung im linken prä- bzw. orbitofrontalen Cortex.

Aussagen I: Dieser Schluss ist zulässig, da durch den Unfall nur ganz bestimmte Fähigkeiten in Mitleidenschaft gezogen wurden und die meisten intakt blieben. Dies wiederspricht der Annahme, dass die Prozesse im Gehirn „global“ sind.

 Aussage II: Da nach dem Unfall gerade die Impulskontrolle beeinträchtig war, was sich durch eine neu aufgetretene Impulsivität und Unberechenbarkeit zeigte, ist dieser Schluss zulässig.

Aussage III: Auch wenn solche Eigenschaften gerne mit „Seele“ gleichgesetzt werden, kann dieser Schluss nicht gezogen werden. Vor allem da das Konzept „Seele“ im Text nicht erörtert wird.

Aussage IV: Auch dieser Schluss ist nicht möglich, da wir laut Text lediglich davon ausgehen können, dass eine Schädigung in diesem Bereich eine solche Störung hervorruft. Wir wissen aber nicht, ob auch Schädigungen in anderen Bereichen ähnliche Wirkungen haben können.